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Le réseau des reprises (2013-14)

für grosses Ensemble

Ein wesentliches formales Merkmal meiner Musik ist die einmalige Gestaltung einer musikalischen Idee in ihrer bestmöglichen Erscheinungsform. Dieses Vorgehen schliesst die Wiederholung als Gestaltungsmittel aus.

In dieser Hinsicht werden hier neue Wege beschritten, handelt es sich doch um eine Reflexion darüber, was Wiederholung und Variante alles bedeuten kann. Sie ist eine Art "variations serieuses", in welchen das Phänomen der Wiederholung, beziehungsweise der Variantbildung auf ganz verschiedenen Ebenen zum kompositorischen Thema gemacht wird.
Dabei geht es nicht um die blockhafte Aneinanderreihung sampleartiger Module, sondern um die Kreation nicht-linearer Verläufe – also mit Sprüngen zurück wie auch nach vorn – bei gleichzeitiger Beibehaltung eines vorwärts treibenden Grundcharakters als dramaturgischem Prinzip.

Die kompositorische Herausforderung bestand also in der Überwindung eines Paradoxons, nämlich trotz Wiederholungs-Elementen eine sich dennoch stets entwickelnde Musik zu gestalten. Repetitive Verfahren mussten daher so variabel angewendet werden, dass Wiederholungen frisch wirken, oder als solche gar nicht wahrnehmbar sind.

So werden bisweilen einzelne Instrumentalschichten extrahiert und mit neuem Material konfrontiert. Es werden Taktgruppen oder nur Taktteile substituiert oder durch Bildung von Ellipsen komprimiert, ferner gelangen permutative Verfahren und Interpolation zur Anwendung. Letztere ereignet sich auch auf übergeordneter Ebene, nämlich in Form von neu komponierten Texturvarianten aus vorangegangenen Werken.

Aber auch das naheliegendste, weil in der Tradition verwurzelte Prinzip der Wiederholung, die Reprise, gelangt grossformal zur Anwendung. Sie soll angesichts der hohen Informationsdichte des musikalischen Satzes eine vertiefte Wahrnehmung der klanglichen Ereignisse ermöglichen.

Ein weiteres Paradox ist der Versuch, das harmonische Tempo (also die Progression von Akkorden) in gewissen Passagen so hoch zu gestalten, dass deren konsonante Vertikalität in der Wahrnehmung zurücktritt zugunsten horizontaler Bewegungsmuster . Der Arbeitstitel "vertige vertical" brachte diesen Teilaspekt des neuen Werks zum Ausdruck.

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